Nepal – Abseits des Tourismus

In den Bergen waren wir oftmals stundenlang unterwegs ohne eine Menschenseele zu treffen. Im Gegensatz zu den großen Städten in denen wir uns zuvor immer aufgehalten haben, war dies eine wirklich tolle neue Erfahrung.

Doch auch hier in den Bergen, auf einer der beliebtesten Trekkingrouten, ist vieles auf den Tourismus ausgelegt. Umso mehr freuten wir uns über die Einladung unseres Guides Raj, der uns fragte, ob wir ihn nach der Tour in sein Dorf zu ihm nach Hause begleiten wollen. Er erzählte uns, dass er gemeinsam mit seiner Familie in einem kleinen Dorf auf dem Land (Jyamrung in der Nähe von der nächst größeren Stadt Dhading) lebt, das auf der Strecke zwischen Pokhara und Kathmandu liegt. Sein Haus wurde wie viele andere in seiner Region von dem Erdbeben zerstört, sodass sie nun in Zelten leben müssten. Trotzdem könnten wir gerne mitkommen, seine Familie kennenlernen und mit ihnen das Ende des „Diwali“ Festes feiern, der 5-tägigen hinduistischen Festwoche, die derzeit in Nepal in vollem Gange war.

Die Chance mal das „richtige“ Leben in Nepal kennenzulernen ließen wir uns natürlich nicht entgehen. Nach nur einem kurzen Tag in dem schönen Pokhara  machten wir uns gemeinsam mit Raj auf den Weg nach Dhading. Die Fahrt dahin war mal wieder Abenteuer (oder meistens eher lebensmüde) pur. Wegen der Feiertage waren besonders viele Menschen unterwegs nach Hause. Zweimal mussten wir umsteigen und uns jedes Mal aufs Neue einen Platz in einem Bus, der sowieso schon viel zu voll war, erkämpfen. Aber stundenlanges Warten auf einen freien Platz (was nicht bequemer Sitzplatz innerhalb des Busses bedeutet, sondern freies Fleckchen irgendwo) gehört momentan eben auch zum „richtigen“ Leben hier, also Augen zu und durch. Das letzte Stück von Dhading bis Jyamrung haben wir mit einem Jeep und einem Teil der Familie zum Elternhaus von Raj zurückgelegt. Auf dem Weg ging es über eine Jeeppiste immer weiter bergauf durch kleine Dörfer und jede Menge Reisfelder. Im Gegensatz zu den touristischen Vierteln in den Städten, waren hier die Zerstörungen durch das Erdbeben immer noch gut sichtbar. Viele Häuser waren zum Teil bis auf die Grundmauern eingestürzt. Auf halben Weg entdeckten wir auf einem größeren freien Feld eine Notunterkunft, die aus einer Ansammlung von kleineren und größeren Zelten sowie Wellblechbaracken bestand. Dies entsprach auch ein wenig der Vorstellung, was wir bei Raj zuhause zu erwarten hatten. Doch so schlimm war es dann noch nicht. Unsere Vorstellung einer Zeltstadt weichte dem Bild einer einfachen kleinen Hütte aus Holz und Lehm und kleinen Zelten hinter dem Haus, in denen auch wir schliefen. Es ist sicherlich kein Vergleich zu ihrem vorherigen mehrstöckigen Haus, jedoch besser als aus unserer Vorstellung.  So abgelegen wie hier, haben wir selbst auf unserer Trekkingtour nicht gelebt. Das Zuhause liegt mitten in den Reisfeldern und ist sicherlich mindestens 200 m bis zur nächsten Hütte und noch mehr Kilometer bis zur nächsten regelmäßig befahrenen Straße entfernt. Uns umgab eine tolle Aussicht über die weiten der Reisfelder und eine unglaubliche Ruhe. Naja, bis auf dass ja der letzte Tag des Fests an stand und die ganze Familie hier war (Rajs Eltern, zwei Onkel, drei Brüder, zwei Schwestern und deren zwei Kinder. Rajs Frau und seine 8 Monate alte Tochter konnten wir leider nicht kennenlernen. Die war wegen des Festes bei ihrer Familie).

Das Diwali ist ein hinduistisches Lichterfest und sehr bedeutend in Nepal. Kernaussage des Festes ist der Sieg des Guten über das Böse. Im und außen an den Häusern wird viel mit Licht dekoriert. An den Böden vor den Eingängen der Häuser finden sich oft bunte Bilder und Zeichen aus gefärbten Reis. Kleine Öl-Lampen werden überall reihenweise aufgestellt. Aber nicht nur die Menschen und Götter werden gefeiert, sondern auch die Tiere, wie Hunde, Kühe und Ziegen, werden mit einbezogen und werden festlich geschmückt oder angemalt. Der letzte, fünfte Tag (Bhai Tika) dreht sich um die Brüder und Schwestern. Die Legende sagt, dass vor langer Zeit eine Schwester das Leben ihres Bruders aus den Klauen der Yamaraj (der Gott des Todes) rettete in dem sie ihm zuvor ein Tika auf die Stirn setzte. Seit dieser Zeit drücken Schwestern ihren Brüdern ein spezielles „Tika“ (Paanch Rangi Tika – bestehend aus 7 Farben) auf die Stirn und geben ihnen eine heilige gesegnete Nahrung, um ihnen ein langes Leben und Schutz vor Geistern zu garantieren. Während eines Rituals ziehen die Schwestern mehrfach ein Kreis aus Öl um ihre Brüder, bestreichen mit dem Öl ebenfalls seine Haare und malen ihm anschließend das 7-farbige Tika auf die Stirn und wünschen ihm ein langes Leben. Anschließend geben die Brüder ihrer Schwestern auch ein Tika und es werden Geschenke ausgetauscht. Wir waren uns vor unserem Besuch gar nicht wirklich darüber im Klaren, welche Bedeutung das Fest hier hat. Im Nachhinein kann man sagen, dass man es ein bisschen mit unserem Weihnachtsfest vergleichen kann.

Wir wurden von der Familie herzlich begrüßt, umsorgt und hatten nette Gespräche (soweit möglich, denn außer Raj und sein Bruder sprach niemand Englisch). Etwas komisch war uns trotzdem manchmal, denn wir wussten nicht immer wie wir uns verhalten bzw. was wir tun sollten. So saßen wir auch öfters einfach für uns zusammen und beobachten das Treiben um uns herum. Es gab ständig allerlei an, für uns neuem, Essen und Getränken. Besonders gut gefiel uns die frische heiße Büffelmilch, mit dem sich gebildeten Büffelkäse (wie Mozzarella).

Am nächsten Tag fand dann mittags das große Fest statt. Das Beste daran: wir durften nicht nur zuschauen, sondern wurden sogar in das Ritual mit einbezogen. Da fühlten wir uns schon sehr geehrt. Wir sollten uns zu den anderen Brüdern auf dem Boden einreihen, um zunächst mit Öl umkreist und das Haar bestrichen zu bekommen sowie zum Schluss das farbenprächtige Tika auf die Stirn zu erhalten. Dann überreichten die Schwestern ihren Brüdern einen selbst gebastelten Geschenkkorb aus Bananenblättern, voll mit verschiedenen Naschereien. Umgekehrt bekamen dann die Schwestern von ihren Brüdern ihr Tika und etwas Geld. Zu unserer großen Überraschung bekamen sogar wir einen Korb. Jeder! Wir waren total gerührt und wussten gar nicht was wir sagen sollten.

Bei unseren Gesprächen mit Raj’s Brüdern und unseren Spaziergängen erfuhren wir, dass die Gebäude in dem Dorf zu etwa 90 % stark beschädigt oder zerstört wurden. Das Erdbeben habe das Leben der Leute in der Region deutlich erschwert.  So wird seitdem z.B. täglich ab ca. 18:30 Uhr der Strom für eine Stunde oder auch mal länger abgestellt. Genau nach Einbruch der Dunkelheit. So kann also das abendliche Leben und Kochen an den holzbefeuerten Öfen nur bei Taschenlampenlicht stattfinden. Und doch scheint das Leben hier weitestgehend wieder seinen normalen Lauf zu nehmen. Wenn man bedenkt dass wir trotz der großen Verluste hierher mit eingeladen wurden, beeindruckt uns diese Freundlich- und Herzlichkeit sehr.

Nach zwei Nächten in Jyamrung sind wir dann nachmittags mit Raj den Weg, den wir 2 Stunden mit dem Jeep nach oben gefahren sind, runtergelaufen. Gut, dass wir ja noch im Training waren 😉 und haben dann noch eine Nacht im Haus einer seiner Schwestern übernachtet, um am nächsten Morgen mit etwas Glück einen Bus zurück nach Kathmandu nehmen zu können. Alles in allem war es eine tolle Erfahrung und wir sind sehr dankbar hier Gast gewesen zu sein. Dennoch freuten wir uns auch wieder zurück nach Kathmandu zu kommen und uns wieder ein wenig ungezwungener zu bewegen. Wobei wir uns die Rückfahrt gerne erspart hätten. Wir mussten wiedermal  in einem völlig überfüllten Bus, drinnen sowie auf dem Dach, eine Fahrt von über 5 Stunden hinter uns bringen. Wobei wir diesmal Glück hatten und sogar sitzen konnten, da Raj uns noch Tickets auf dem „Schwarzmarkt“ (wie er sagte) besorgen konnte.

Zurück in Kathmandu genossen wir dann wieder unsere weichen Betten und die langersehnte heiße Dusche. Die restlichen Tage in Nepal haben wir mit Rumgammeln, Bummeln und Sightseeing verbracht.

Nepal hat uns insgesamt, trotz der zurzeit wirklich schwierigen Lage hier, sehr gut gefallen und wir können uns gut vorstellen nochmal wiederzukommen. Vielleicht geht es ja dann zum Mt. Everest 😉 Morgen fliegen wir aber erstmal nach Bangkok. Da freuen wir uns auch sehr drauf!

4 Replies to “Nepal – Abseits des Tourismus”

  1. Wahnsinn. Toll was wir hier zu lesen bekommen.Ich wünschen euch weiterhin eine interresante, bunte, aufregende und eine spannende Reise.

    Bis bald Doris

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